Ralph Schnyder - TWIKE, eine Philosophie


Ralph Schnyder, Jahrgang 1965, ist dipl. Architekt ETH und Mitinhaber und Geschäftsleiter der Firma "dreifels ag" in Gelterkinden. Nach der Matura Typ C in Liestal absolvierte er ein Praktikum in Cairns und 1989 ein Auslandsemester in Brisbane, Australien. Schon bevor er seine Studien im Jahre 1991 abgeschlossen hatte, beschäftigte er sich mit Leichtbaufahrzeugen. Er entwickelte mit seinen heutigen Geschäftsleitungskollegen Peter Zeller und Christian Meyer das dreirädrige, vollverkleidete Fahrzeug TWIKE, das mit Pedalantrieb ausgerüstet ist und 2 Sitze hat. Die wesentliche Antriebsleistung erbringt beim rund 250 kg schweren Fahrzeug ein Batteriesatz. Mit dem Pedalbetrieb kann man aber die Reichweite um 10-20% verlängern, wenn es denn nicht steil bergauf geht.

Die "dreifels ag" entwickelt und produziert heute Lithium-Akkusysteme und die dazu passende Steuer- und Leistungselektronik fürs TWIKE, für Elektro-Go-Karts, portable Akkukoffer, Hausspeicher-Batteriesysteme, Stromversorgungen für Kühlcontainer. Online-Datenbanken und Remote Monitoring Lösungen sind ein weiteres Standbein.


Ralph Schnyder bastelte sein erstes "Spezialfahrzeug" als dreirädriges Liegevelo und nannte es Aurelia. Damit machte er beachtliche Touren und war schon 1984 damit an der Küste Englands anzutreffen.

Die erste Entwicklung des jugendlichen Teams Schnyder/Meyer war 1985 dann ein vollverkleidetes Liegerad auf Basis des "Aurelia", mit der gleich eine zweiwöchige Testfahrt nach Cannes erfolgreich absolviert wurde.


 

An der ersten Tour de Sol im Jahre 1985 machte das Team "RALPHA" mit 4 ausgeliehenen Solarpanels, 4 Batterien (Yuasa 12V 24 AH), und einem Elektromotor, aufgebaut auf dem Aurelia-Chassis mit. Das Team wurde gleich Zweiter und konnte mit dem Preisgeld die Investitionen amortisieren.


 

Als Geburt des ersten TWIKE gilt das Fahrzeug, das von einer Gruppe von Lehrlingen und Studenten 1986 für die EXPO in Vancouver (Kanada) entwickelt wurde. Ralph Schnyder, Peter Zeller und Christian Meyer waren damals schon dabei. Es war eine konsequente Weiterentwicklung von "Aurelia". Struktur und Hülle bestanden aus faserverstärkten Kunststoffen. Das Projekt erhielt den Siegespreis "Functionality Award" für die beste ergonomische Gestaltung. Schon hier wurden innovative Massstäbe gesetzt, z.B. mit eine Joystick-Lenkung, Leichtbau und Solartechnik für die Energieversorgung. An der anschliessenden "International Human Powered Vehicle Speed Championship" 1986 gewann das TWIKE den ersten Preis in der Kategorie der alltagstauglichen Fahrzeuge.


 

 

 

In Fortsetzung seiner Velokonstruktionen baute Schnyder 1989 ein Stufentandem neben seiner Studientäigkeit in Brisbane. Es ist zerlegbar und Flugzeugtransporttauglich. Und logisch, dass das TWICYCLE auch das geeignete Fahrzeug für die Hochzeitsreise in Hongkong war. Ehefrau Jane arbeitet auch heute noch in der Firma dreifels voll mit.


 

Das TWIKE II war eine Auftragsarbeit für Alusuisse und wurde an der Heureka 1991 in Zürich gezeigt. Mittels eines Simulators konnten Besucher versuchen, eine Teststrecke möglichst effizient zurückzulegen, was zur Attraktion der Ausstellung wurde. Parallel dazu wurde ein weiterer Prototyp des TWIKE II gebaut. Die Konstruktion war weitgehend modular aufgebaut. Das Fahrwerk bestand aus einer Gabel vorne und Dreieckslenkern hinten. Innovationen waren Scheibenräder aus superplastischer Alu-Legierung, Zahnriemenantrieb und eine stufenlose Pedalübersetzung. Als Hilfsantrieb kam ein Gleichstrom-Elektromotor zu Einsatz, versorgt von NiCd-Batterien. Dieses TWIKE-Modell war z.B. an der Alpinen Solarmobil-Europameisterschaft das mit Abstand energieeffizienteste Fahrzeug. Die Spitzengeschwindigkeit lag bei ca 75 km/h, die Reichweite bei 40-100 km, je nach Gelände und Fahrweise.


Im Herbst 1999 begann das Team Schnyder/Zeller/Mayer die Serienentwicklung des TWIKE zu planen. Es wurde die Firma TWIKE Ltd. in Gelterkinden als Aktiengesellschaft gegründet. Die Entwicklung des TWIKE III dauerte 3 Jahre. Die Zeit wurde benützt, um das Fahrzeug bekannt zu machen und Kunden zu suchen.Vieles wurde neu entwickelt, die Grundidee blieb bestehen. Die Vorgaben in Bezug auf Leistung, Gewicht, Reichweite, Karosserie, Elektronik, Batterien, Getriebe, Fahrwerk und Lenkung konnten aber eingehalten und sogar verbessert werden.

Anfang 1996 rollten die ersten TWIKE der Pilotserie aus der Halle der Stoppani AG im Neuenburger Jura, wo sie in Auftrag gegeben worden waren. Es folgten der Aufbau eines Vertriebsnetzes und eine Aktienkapitalerhöhung. Eine erste Pilotserie wurde noch im gleichen Jahr bis Fahrzeug Nr. 190 ausgeliefert.

Eine 2. Serie wurde 1997 gestartet und brauchte ein Jahr Vorarbeit. Gleichzeitig wurde von Fahrern der TWIKE Club gegründet. Im Jahre 1998 wurde die Stückzahl verdoppelt. Gefertigt wurde einerseits in den TWIKE Kompetenzzentren und in der neugegründeten Firma S-Lem AG in Travers und Lyss. Im Herbst 1999 wurde die TWIKE AG mit der Firma S-Lem S.A. zur neuen Gesellschaft Swiss-LEM AG fusioniert. Die neue Firma setzte 30 Mio Investitionskapital ein, um mit dem Grosserienbau zu beginnen. Die TWIKE-Pioniere gehörten dieser Firma allerdings nicht mehr an. Leider hatte die neugegründete Firma keinen kommerziellen Erfolg und es kam nie zum erhofften Aufschwing. So musste 2003 die Bilanz deponiert werden und die Firma FINE Mobile GmbH in D-35119 Rosenthal erwarb den Grossteil des vorhandenen Materials und begann, die Fahrzeuge in Deutschland zu bauen. Bis heute wurden rund 500 Fahrzeuge in Deutschland gefertigt und es werden jährlich 20 - 30 neue Fahrzeuge in Betrieb gesetzt, womit bis heute über 1000 Fahrzeuge in Betrieb stehen. Sie werden an verschiedenen Servicepunkten gewartet und teilweise aufgerüstet, insbesondere mit leistungsfähigeren Batterien. Diese grösseren Umbauten macht die dreifels ag am neuen Firmensitz in Gelterkinden.

Die Firma FINE Mobile hat einen neuen Prototypen als TWIKE 4 gebaut. Darauf aufbauend soll die Fertigung eines TWIKE 5 gestartet werden. Die Erfolgsaussichten sind zur Zeit noch nicht absehbar. Die "dreifels ag" ist an diesem Projekt nicht beteiligt.


Das aktuelle TWIKE (TWIKE III), das eine Spitzengeschwindigkeit von 85 km/h erreicht, wird mittels Steuerhebel (Sidestick oder Joystick) gelenkt. Im Steuerhebel sind die Taster für die Beschleunigung und die elektrische Bremse (Rekuperationsbremse), sowie für die Blinker integriert. Getragen wird das TWIKE von einer Skelettkarosserie (spaceframe), die aus Knetwerkstoffen auf der Basis von Aluminium gefertigt wird. Dieser Rahmen (Gewicht 30 KG) trägt einerseits zum günstigen Gewicht/Stabilitäts-Verhältnis des TWIKE bei, wie er andererseits den Passagier- und Passantenschutz gewährleistet. Die Verkleidung des TWIKE ist aus dem Thermoplast LuranS® der BASF SE gefertigt. Die Leichtbauweise des Fahrzeugs ermöglicht dessen niedrigen Energieverbrauch von 3-7 kWh/100 km. Das entspricht etwa einem halben Liter konventionellem Treibstoff auf 100 km. Je nach Fahrstil und Batterie-Ausstattung lassen sich so mit dem TWIKE Strecken von bis zu 200 km ohne Zwischenladung zurücklegen.


Interview mit Ralph Schnyder

 

Wie beurteilen Sie aus heutiger Sicht Ihr Projekt? Was hat es der damaligen Entwicklung der Elektromobilität gebracht?

Für uns hat das Projekt viel gebracht. Wir konnten die Firma dreifels ag aufbauen. Wir haben spannende Projekte am Laufen. Primär geht es um Batterie- und Elektroniksysteme. Wir haben 60'000 Zellen in Umlauf. Fast die Hälfte der Fahrzeuge sind mit neuen Zellen ausgerüstet. Da gibt es jetzt sogar Aufträge, um Güterwagen auszurüsten.

Unser Beitrag an die Entwicklung war eigentlich der Vorschlag, dass man für den persönlichen Transport nicht ein schweres Fahrzeug bewegen musste, sondern ein platzsparendes und effizientes. Dreiräder oder Pedalantrieb waren nicht die entscheidenden Elemente; wir wollten einen neuen Ansatz, eine neue Idee in den Individualverkehr bringen. Eine andere Idee haben wir beim Elektrovelo "Dolphin" zusammen mit Michael Kutter realisiert: Pedalantrieb sollte gleichzeitig auch den Motorantrieb auslösen, was bisher eigentlich nur alternativ gedacht war, entweder man pedalt oder dann lässt man sich vom Antrieb befördern. Diese Idee ist beim Velo heute umgesetzt, beim TWIKE haben wir das geprüft, aber es ist noch nicht verwirklicht.

 

Wie beurteilen Sie die heute marktgängigen Elektromobile? Genügen sie den Anforderungen?

Was heute auf dem Markt ist, sind Elektroautos, die keine Abgase machen, aber vom Konzept her nach wie vor Autos sind. Energieverbrauch, Platzbedarf, Lärmimissionen sind praktisch identisch mit dem Verbrenner-Auto. Das ist etwas anderes als das Konzept TWIKE. Lange Zeit war es mit den schweren Bleibatterien kaum möglich, einen Schritt vorwärts zu tun. Erst Tesla hat mit besseren Zellen einen Entwicklungsschritt gemacht.

Die Entwicklung finde ich insgesamt jedoch gut. Benzin- oder Dieselmotor ist definitiv out.. Das Zeitalter ist vorbei wie die Dampfmaschine. Wenn man das Auto als persönliches Beförderungsmittel anschaut, hat es immer noch zu grosse Platzansprüche, das ändert durch das Elektromobil nicht. Es ist eine rein technische Ablösung. Es ist keine definitive Lösung. Man kann die heutigen Grenzen, die sich mit dem Abgas ergeben haben, hinausschieben. Und selbstverständlich muss man beim Elektromobil den Strom möglichst selber produzieren.

 

Was für ein Elektromobil fahren Sie heute? Welches Auto würden Sie gerne fahren, wenn der Preis, etc. keine Rolle spielte?

Ich fahre immer noch mein TWIKE 001, natürlich mit den neusten Batterien. Das positive an den Elektromobilen ist auch, dass man sie mit neuen Batterien immer wieder auf aktuellen Stand bringen kann, ein Verbrenner altert viel schneller.

Zum Tesla kann man sagen, dass er für diejenigen Leute gemacht wurde, die die vollen Leistungen eines Autos wollen, ohne Einschränkungen, also geräumig, schnell, genügend Reichweite, luxuriös genug. Die übrigen Hersteller haben aus ihren Elektroautos keinen eigenen Brand gemacht, wie z.B. Maybach, Lexus etc. Es ist immer noch ein Opel, ein BMW. Die Hersteller machen wie beim Katalysator einfach das, was man wohl machen muss, es fehlt auch der wirtschaftliche Druck.

 

Wo sehen Sie die Zukunft des Elektromobils? Chancen und Risiken?

Da kann man vermuten, dass es einen Elektromobilclub wohl bald nicht mehr braucht. Das Elektromobil ist jetzt einfach ein Auto mit einem anderen Antrieb. Das wünscht offenbar der Kunde, das zeigt das Konzept des Tesla Modell 3, der Volkswagen von Tesla. Was heisst Elektromobil? Das wäre auch die Chance für etwas anderes. Das könnte dann auch in Richtung autonomes Fahren gehen wie z.B. das unbemannte kleine Fahrzeug, das die Post testet; das fährt allein herum und holt vielleicht Gipfeli ab. Vielleicht geht es einmal in dieser Richtung.

 

Was erhoffen Sie sich von der Politik zu diesem Thema?

Es ist klar, dass sich eine solche Entwicklung nur mit entsprechenden Vorschriften durchsetzen kann, z.B. mit Abgaslimitierungen. Entwicklungen, die mit Qualitätsverbesserungen verbunden sind und zu Mehrkosten führen, sind nur möglich, wenn die Politik es durchsetzt.

Es könnte auch mit der Energieerzeugung verbunden sein, das man z.B. verpflichtet ist, wenn man elektrisch fährt, auch den Strom umweltfreundlich zu produzieren. Früher hat man Luftschutzkeller vorgeschrieben, heute wäre das z.B. eine Parkplatzvorschrift wie in Amsterdam, dass ein Parkplatz vor dem Haus nur noch zusammen mit einer Ladestation erlaubt wird. Die Politik muss letztlich ermöglichen, dass die Strassen nicht verstopft sind, wenn man sie wirklich braucht.